Der richtige Zeitpunkt und vor allem die Methoden sind bei der Abgewöhnung der Mittagsruhe der Kinder entscheidend und wichtig.
Ob Kinder noch einen Mittagsschlaf brauchen, sei keine Frage des Alters, wie Hermann Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.
Jedes Kind hat ein individuelles Schlafbedürfnis.
Relevant werde die Frage „Mittagsschlaf ja oder nein?“ ab etwa drei Jahren.
Manche Dreijährige benötigen innerhalb von 24 Stunden 11 Stunden Schlaf, andere 15 Stunden – und beides sei völlig normal.
Ausreichend Schlaf ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gerade bei Kindern für das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit, wichtige Funktionen des Körpers sowie das Immunsystem von großer Bedeutung.
Wichtig ist daher, den Mittagsschlaf nicht leichtfertig zu streichen. Denn dieser kann laut der DGSM zum Beispiel negative Auswirkungen nächtlichen Schlafmangels ausgleichen und hat einen positiven Effekt auf das deklarative Gedächtnis, das für das Faktenwissen zuständig ist. Der Mittagsschlaf hilft besonders Kindern, die ihn regelmäßig halten, das am Vormittag Gelernte abzuspeichern und später wieder abzurufen.
Mittagsschlaf hat auch negative Seiten
Der Mittagsschlaf kann der DGSM zufolge aber auch unerwünschte Effekte haben: spätere Schlafenszeit, das Einschlafen dauert länger, kürzerer Nachtschlaf sowie häufigere nächtliche Wachzeiten von mehr als fünf Minuten.
Aber was sind individuelle Anzeichen dafür, dass der Mittagsschlaf gestrichen werden kann? Ein Hinweis ist, dass das Kind am Abend einfach nicht müde ist oder sehr lange braucht, um einzuschlafen. Und: „Wenn ein Kind mit drei Jahren nachts nicht durchschläft, aber tagsüber noch schläft, kann es sinnvoll sein, den Mittagsschlaf wegzulassen“, sagt Kahl.
Gleiches gilt, wenn ein Kind in der Nacht aufwacht, topfit ist und spielen will. Auch ein „Ich will nicht“ des Kindes sollten Eltern durchaus ernst nehmen und ihr Kind nicht zum Mittagsschlaf zwingen, wie Kahl betont: „Ein dreijähriges Kind kann von seiner Entwicklung her in der Regel auf Tagschlaf verzichten.“
Es gibt noch weitere Anzeichen: Wenn ein Kind am Mittag nach 30 Minuten nicht eingeschlafen ist, kann das bedeuten, dass es auf den Mittagsschlaf verzichten kann, wie Alfred Wiater, Kinder- und Jugendarzt, Schlafmediziner und Vorstandsreferent der DGSM, erklärt. Wenn das Kind ohne Mittagsschlaf im weiteren Verlauf des Tages nicht müde oder überdreht ist, sei dies ein weiteres Zeichen.
Schlafverhalten drei Wochen protokollieren
Bevor es dem Mittagsschlaf an den Kragen geht, sollten Eltern aber das Schlafbedürfnis ihres Kindes kennen. Denn dann können sie die Zubettgehzeit am Abend entsprechend anpassen. „Hilfreich ist es, ein Schlaf-Wach-Tagebuch über drei Wochen zu führen“, rät Wiater. Darin wird für jeden Wochentag notiert, wann das Kind morgens aufgewacht und abends eingeschlafen ist, wie häufig und lange es in der Nacht wach war und ob und wie lange das Kind am Tag geschlafen hat.
Wenn sich so herausstellt, dass der Mittagsschlaf nicht unbedingt nötig ist, sollte man diesen allerdings nicht von heute auf morgen streichen. Besser sei es „die Mittagsschlafdauer über einen Zeitraum von zwei Wochen schrittweise zu reduzieren, um den abendlichen Schlafdruck zu erhöhen“, empfiehlt Schlafmediziner Wiater.
Wie lang der Mittagsschlaf sein sollte, hänge vom Alter ab, sagt Wiater. Im Schnitt schlafen Kinder mit zwei Jahren tagsüber etwa eineinhalb bis zwei Stunden, mit vier Jahren zwischen 70 und 110 Minuten.
Kinderarzt Kahl betont, dass man das Kind ohne Mittagsschlaf ein paar Tage beobachten sollte: „Einmal ohne Mittagsschlaf reicht nicht. Wenn man ihn drei, vier Tage hintereinander weglässt, zeigt sich, ob das Kind den Schlaf doch benötigt.“
Mittagsschlaf kann auch kürzer ausfallen
Wenn das Kind dann sehr müde ist, nörgelig oder nervös, muss der Mittagsschlaf wieder her. Wobei dies natürlich auch nicht nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“ geschehen muss: Der Mittagsschlaf kann schließlich auch erstmal verkürzt statt komplett gestrichen werden.
Oder das Kind macht in einer Übergangsphase nicht täglich, sondern nach Bedarf sein Mittagsschläfchen. Im Zweifel lohne es sich immer, den Kinderarzt zu fragen: „Eltern sollten nichts mit der Brechstange versuchen“, betont Kahl. „Wichtig ist, dem Kind zu geben, was es braucht.“